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Romantagebuch zu "Der stumme Bruder" von Claudia Rikl

07.12.2018

Was für ein Druck!

Ich habe soeben die Druckfahnen zur Post gebracht, der Roman fällt von mir ab. Am Dienstag geht er in den Druck, ich kann nun nichts mehr tun. Das fühlt sich im Moment einfach nur herrlich an, vielleicht, weil die Frage, ob man alles irgendwie anders hätte schreiben sollen, obsolet ist, nun, da das Paket auf die Reise gegangen ist. Ich hatte einen riesigen Berg derartiger Bedenken, der ist gerade außer Sicht.

Das Ende war im letzten halben Jahr- obwohl faktisch im Kalender vermerkt- gefühlt nicht in Sicht. Nach der Lektüre durch Gisa im Juli die Erkenntnis: so geht das noch nicht, einige Änderungen müssen vorgenommen werden. Dann zweieinhalb Monate lang Überarbeitungen des gesamten Romans, Klarstellung einzelner noch zu undeutlicher Figurenmotivationen, was so unglaublich viel Kleinarbeit nach sich zieht, und vor allem: Verhüllung einiges wichtigen Fakts, der im Romanentwurf zuvor leichtfertig ausgeplaudert worden war, für den Fall aber zentral ist. Und das braucht Zeit und so viel Mühe. Mein ständiger Blick auf den Kalender: wenn doch der August, der September, nur schon vorbei wären… Im November dann: fertig, der nach oben gereckte Daumen der Lektorin verschafft eine kurze Verschnaufpause, dann das Feinlektorat. Wieder in den Roman einsteigen, wenige Wochen später. Wieder alles durchdenken, wieder die Befürchtung aushalten müssen, Fehler zu entdecken. Ständig mit dem drängenden Wunsch konfrontiert sein, es endlich gut gemacht zu haben. Den Zweifeln daran. Dann eine kurze Ruhepause, in der keine wirkliche Entspannung möglich ist. Lesungen waren zu halten, die Druckfahnenkorrektur stand aus. Herzklopfen, als der Postbote das Paket brachte. Doch jetzt, im Moment nach dem Gang zur Post, habe ich das vergessen.
Und nun? Habe ich darüber geschrieben, was sonst.

15.06.2018

Fertig

Zweieinhalb Jahre, zwei, wenn man die erzwungene Pause im letzten Sommer abzieht. Bis hierher habe ich mich geschoben und auch gequält, ich bin geflogen und getanzt, das auch. Nicht jeden Tag. Das kann man nicht erwarten, Vor allem ist es harte Arbeit. Das Buch braucht Zeit, damit sich Strukturen ausbilden können, motivische Verflechtungen, ich schreibe sehr viel, es waren bestimmt zweitausend Seiten, und lasse die Dinge sich entwickeln. Jetzt, an diesem Punkt, komme ich am Ende zu der Erkenntnis:

EIN ROMAN IST DIE ESSENZ DER ANTWORTEN AUF TAUSENDE FRAGEN, DIE EINE GESCHICHTE DEM AUTOR STELLT.

30.05.2018

Zurück zum Erstgeborenen

Wochen, Monate sind vergangen, der Erstling in der Welt, er läuft noch nicht so gut, braucht viel Unterstützung, ist offenbar ein Spätentwickler. Ich kämpfe darum, locker zu bleiben. Das Schreiben habe ich lange unterbrochen, nach der Buchmesse noch eine Zeit lang pausiert, Lesungen standen an, alles war neu für mich und ich hatte nur für eines Kraft und Nerven. Aber mittlerweile haben sich Menschen für den ersten Herzberg begeistert und ihn auf die Longlist eines wichtigen Krimipreises gesetzt, was für ein Glück! Ich kann also in Ruhe zum Ende kommen, was bei dieser Affenhitze nicht so leicht ist. Jetzt müssen alle Fäden zusammengebunden werden, so viele Details sich auflösen, das ist eine gewaltige Aufgabe, ich schrecke immer wieder zurück. Alle Emotionen müssen noch einmal ganz gewaltig hochkochen und sich in einem Riesenknall auflösen. Jetzt muss es richtig, richtig intensiv werden. Die Angst, es nicht so gut hinzubekommen wie beim ersten Mal hockt mir im Nacken. Der nicht müde wird, mich mit Schmerzen darauf aufmerksam zu machen. Aber egal, was soll´s. Bis zum 31.8. ist Zeit, das schaffe ich.

02.02.2018

Der Terminkalender

Die Mitte ist überschritten, der Midpoint, also der Wendepunkt, an dem die Handlung noch mehr Fahrt aufnimmt, indem sie eine neue Richtung einschlägt. Der Held wird zum Krieger. Schön ist das. Ab jetzt befinde ich mich auf hoffentlich rasanter Talfahrt zum Showdown. Ein gutes Gefühl. Nur das Timing ist schwierig.

Die Buchmesse steht vor der Tür, bis dahin wollte ich eigentlich ganz fertig sein, das wird mir nicht gelingen. Ich kann auch nicht bis zum letzten Tag davor durchziehen, weil ich mich gut vorbereiten muss, denn ich werde viele Termine haben, das öffentliche Interesse an dem Buch ist relativ groß, soweit ich das überhaupt beurteilen kann. Jedenfalls hinterlässt es deutliche Spuren auf meinem Nervenkostüm. Allein am Donnerstag muss ich drei Lesungen bestreiten. Aber noch ist das alles weit weg, noch darf ich ein paar Wochen ungestört an meinem Roman schreiben, denn im Mai will ich fertig sein. Dann alles ein paar Wochen liegen lassen, um es schließlich vor dem Abgabetermin am 31. August noch einmal durchzugehen. So ist der Plan.

Und dann müsste ich wirklich einmal längere Zeit Urlaub haben, vier Wochen irgendwo ganz anders auf der Welt, wäre das toll. Denn seit November 2011 schreibe ich nahezu ununterbrochen. Habe drei Romane und mehr als ein Dutzend Erzählungen produziert, alle mehrfach geschrieben und überarbeitet.

Motto des Tages also: If people say, writing is hard, then because it is hard. Writing is one of the hardest things people can do. (Habe ich auf einer Website gelesen, Aussage eines amerikanischen Autors, an dessen Namen ich mich leider nicht erinnere). Und was für mich persönlich noch viel wichtiger ist: Mit Freude und Liebe auf das schauen, was da vor mir liegt, mich nicht ängstigen, das macht schwach. Für mich sein, nicht gegen mich.

02.01.2018

Ein kleines Jubiläum

Eine neue Zahl, die achtzehn schon. Es ist zwei Jahre her, dass ich die ersten Handgriffe für den Roman getan habe, eine lange Zeit. Und dieses Jahr wird er fertig werden, endgültig. Nach der Weihnachtspause muss ich mich wieder hineinfinden ins ländliche Mecklenburg im Hochsommer, wo ein Fall zu lösen ist, der irgendwie mit den verkorksten Beziehungen von Menschen in einem Dorf zu tun hat, die sich von niemandem hinter die Kulissen schauen lassen wollen.

Mit großem Vergnügen, mit Erstaunen und Freude habe ich Szusza Banks "Schlafen werden wir später" gelesen, die Schriftstellerin im Roman wartet darauf, dass sich in ihrem Kopf ein Satz auffaltet, der eine ganze Welt tragen kann. Die Welt einer Erzählung, eines Romans, oder den gestimmten Raum eines Gedichts. Interessant. Bei mir sind es oft Bilder, die etwas auslösen. Dann stimmt also, was ich vor langer Zeit bei Tucholsky gelesen habe: Es gibt Augenmenschen und Ohrenmenschen. Ich bin eher ein Augenmensch. Eigenartig. Müssen Schriftsteller eher Ohrenmenschen sein, so wie Tucholsky oder Szusza Bank? Heute, am ersten Arbeitstag des neuen Jahres, wo der Himmel so dustergrau ist, dass man den ganzen Vormittag glaubt, es sei morgens um sieben, ist mir das egal. Die Zweifel haben eine Zeitlang geschwiegen, über die Heiligen Tage zwischen den Jahren, noch schlafen sie. Lassen wir sie in Ruhe und lesen ganz leise die letzten geschriebenen Zeilen, um den Anschluss wieder zu finden. Ich rase jetzt auf die Mitte zu, immerhin. Bis zum Skiurlaub in vier Wochen habe ich Zeit, eine Menge zu schaffen.

12.12.2017

Das neue Jahr legt sich zur Ruh und ich schließ meine Augen zu.

An jenem Samstag habe ich es nicht geschafft, die Finger von der Tastatur gelassen, was sich allerdings als Segen erwiesen hat, ich habe an dem Tag viel und gut geschrieben. Auch danach. Jetzt sind wieder ein paar Wochen vergangen, das Jahr will sich schlafen legen. Die Sehnsucht nach Ruhe und Entspannung ist kaum mehr abzuschütteln. Eigenartigerweise stellt sie sich von ganz allein ein, kaum, dass das Dezemberblatt im Kalender aufgeschlagen ist. Das schwindende Licht, der Weihnachtsrubel, zu viel künstlicher Glanz. All die Dinge, die noch getan werden müssen. Die Hände, die sich nach einem ausstrecken. Man will einfach, dass es vorbeigeht und man Zeit hat für ein bisschen Stille. Abkehr von der Welt. Leben ohne Ziele, ohne etwas schaffen, erledigen zu müssen. Stattdessen Raum im Inneren schaffen, wieder etwas spüren, Freude, Inspiration. Leer sein und sehen, was kommt. Aber bis dahin wollte ich noch ganz schön was schaffen, zu viel wahrscheinlich. Ich bin etwa ein, zwei Wochen zurück. Nun habe ich zwar Zeit, der Roman muss erst Ende August abgegeben werden, aber ich will ja auch noch den letzten Überarbeitungsdurchgang, wenn alles geschrieben ist. Was ein, zwei Monate Abstand erfordert, die wahrscheinlich mit allem Möglichen gefüllt sein werden: Lesungen, Promotions für den Erstling. Ich habe noch keine Vorstellung, wie das alles laufen wird. Aber noch ein paar wenige, kurze Tage bis Weihnachten. Immerhin.

18.11.2017

Schreiben gut, alles gut?

Samstag. Und ich überlege, ob ich es mir herausnehme, nicht zu arbeiten. Bauch und Rücken verlangen es, der Kopf sagt: dann bist du wieder raus, raus, raus. Dabei habe ich die ganze Woche so darum kämpfen müsse, mich zu fokussieren. Gestern Nachmittag nun endlich wieder ein wenig Licht im Novembergrau, ein paar gute Ideen und es fließt. Damit wurden auch alle anderen Lebensgefühle wieder besser. Schreiben gut, alles gut. Wie anfällig das Allgemeinbefinden doch ist, wenn mit der Arbeit etwas nicht stimmt. Mit dieser Arbeit. Und nun sitze ich da und überlege. Die Dinge, die heute getan werden müssen, türmen sich vor mir auf. Schreiben, am besten. Das Haus in Ordnung bringen, Wäsche, Kochen. Wertvolle Zeit mit der Familie verbringen. Ausgiebig Rückengymnastik betreiben. Und richtig entspannen muss ich mich auch. Ich sehe: Entspannung als ein abzuarbeitender Tagesordnungspunkt, kann das funktionieren?

Mit dem Buch bin ich jedenfalls so richtig mittendrin und wenn es läuft, sehr glücklich. Aber es stockt manchmal, weil ich keine Pausen machen will, ich will durchziehen. Besonders heute, wo ich in der Frühe den unterschriebenen Verlagsvertrag zur Post gebracht habe. Das Loslassen fällt mir kolossal schwer. Mir schwant, dass es gelingen würde, wenn ich meine Verkrampftheit durch eine räumliche Trennung von meinem Schreibtisch überliste. Ein paar Tage, ausschließlich mit Strandspaziergängen zugebracht, wären genau das Richtige. Aber nicht möglich. Also versuche ich, den Sommerurlaub in Scharbeutz gedanklich heraufzubeschwören, die stundenlangen einsamen Spaziergänge, die Entspannung, die sich augenblicklich einstellte. Auch die „Tage- und Nächtebücher aus Lappland“ von Sigrid Damm fallen mir ein. Vielleicht heute Nachmittag, vielleicht morgen mal hineinlesen. Vielleicht. Bis dahin werde ich den Computer herunterfahren, das ist vielleicht ein erster Schritt.

18.10.2017

Lasset die Überarbeitung BEGINNEN

Der Nacken ist noch immer fest, ich verstehe einfach nicht warum. Ein ergonomischer Arbeitsplatz ist noch lange nicht alles. Nun ja. Aber ich bin in der zweiten Runde, nach Lektoraten und allen anderen wichtigen Arbeiten für Buch eins, an denen sich ein Autor beteiligen muss. Und das heißt: eine schöne Arbeitsphase steht an, die schon im Sommer begonnen hat. Nach einen nur sehr kurzen Gedankenstillstand und ein wenig Abstand hat mein Gehirn ganz ohne Aufforderung Ideen zur Überarbeitung produziert. Die aufzuschreiben inzwischen selbstverständlich geworden ist, die Erfahrung zeigt: anderenfalls kommen sie nicht wieder. Das Gehirn verschränkt nämlich gern nach getaner Arbeit die Arme: ich hab gesagt, was zu sagen war, wenn Du gerade zu beschäftigt warst, den Stift in die Hand zu nehmen, Dein Problem, nun musst Du selbst sehen, wie Du mein Input rekapitulierst. Also: ständige Wachsamkeit mit gespitzter Feder. Freude. Darüber, dem unverkrampften Ausstoß zusehen zu können. Verwunderung. So geht es also auch? Dankbarkeit. Weil das Gehirn bzw. der kreative Teil davon, der sich so schwer herbeizaubern und kontrollieren lässt, einfach weiter vor sich hin spielt. Zur Zeit überglücklich, dass es damit klappt. Weil das Buch schließlich noch so lange ein Teil von mir sein wird, bis es fertig ist und losgelassen werden kann.

19.06.2017

Zwischen den Zeil/ten

Wochen des Schweigens, ungewollt, sagt der Kopf. Na na! Der Bauch mit wissendem Gestus. Tja, was ist diese Starre im Nacken, was bedeutet sie? Nur, dass die Knochen verrenkt sind? Sitzt da Angst? Will ich eine Pause? Habe ich eine Krise? Erneut befinde ich mich in einer Zeit des Dazwischen. Nach fertiggestelltem Erstentwurf und Exposé. Vor dem zweiten, hoffentlich endgültigen Entwurf. Und jetzt das. Ich will mich nicht damit beschäftigen, will nur, dass alles so funktioniert wie immer. Will wenigstens ein Stündchen am Tag etwas tun. Und da, kaum sitze ich am Schreibtisch, wird der Nacken fest, eine nicht zu überwindende Starre. Was für eine blöde Metapher.

12.04.2017

Wunder - es gibt sie doch

Gestern las ich ein Zitat von Asa Larsson. Sie sagt, es sie ein Irrtum zu glauben, dass die Ideen für einen Roman erarbeitet werden müssen und dass ihr ein ganzer Krimi beim Schwimmtraining ihres Sohnes zugeflogen sei. Eine solche Erfahrung ist extrem berauschend- und leider selten. Nachdem ich einmal nach den schreibleeren Weihnachtsfeiertagen allein zu Hause saß, weil mein Mann mit den Kindern zu seinen Eltern zu Besuch fuhr, passierte mir etwas Ähnliches.

Ich, innerlich aufgebracht und geladen, weil ich wieder einmal nichts getan hatte als Kochen und Aufräumen, fuhr mit dem Fahrrad in ein Café, mit dem festen Vorsatz irgendetwas für mich zu tun. Es war das Café im Hugendubel Buchkaufhaus- vor der Renovierung. Mittlerweile ist es in einem so schreienden Weiß eingerichtet, dass ich nie im Leben dort etwas schreiben könnte. Doch damals- um mich herum gedämpftes Braun und ruhige Musik, ein paar verstreut sitzende Gäste, vertieft in Bücher, der Geruch von Papier und was weiß ich noch- hatte ich eine Idee. Ich schrieb los und auf einmal war eine ganze Erzählung da, getragen vom Schmerz einer Figur, von einer späten Einsicht und der damit einhergehenden, tiefen Reue, die ihr halbes Menschenleben auf den Kopf stellt. Es war alles, wirklich alles, sofort da. Die Struktur- komplex, drei Zeitebenen, die Irrwege einer endlich revidierten Überzeugung, ihr Zusammenbrechen, ausgelöst durch ein harmloses Ereignis, das Thema, sogar die Formulierungen. Ich weiß noch, dass ich in den Tagen zuvor das Buch „Grabesstille“ von Tana French gelesen hatte, das mich ziemlich aufwühlte. Und plötzlich brach es aus mir heraus. Es war ein Wunder. Die Erzählung „Ganz am Ende“, die dort entstand (und natürlich noch etliche Male überarbeite wurde, ohne geht es nicht) ist mir nach wie vor die liebste.

Asa Larsson mag recht haben, manchmal geschieht es, dass man etwas mit sich herumtrug, von dem man nichts ahnte. Dass es irgendwo vor sich hin gärte und reifte, unbehelligt vom Kopf, unseren Vorstellungen und Erwartungen, ganz in Abgeschiedenheit und Stille wie ein Kind, das man für einen Nachmittag im Garten vergessen hat. Und dass ein winziger Anstoß genügte, es aufs Papier zu spucken. Dennoch ist das leider, leider, ganz die Ausnahme. Unser Schreiben baut darauf, dass wir es regelmäßig tun. Mit untrainierten Muskeln einen Marathon zu laufen ist immer eine schlechte Idee. Aber dieses regelmäßige Üben mit Leichtigkeit anzugehen, frei und wild zu sein beim ersten Skizzieren der Ideen, möglichst unbewusst, ohne Kritik, ohne Zensur, das kann man in den Alltag retten. Es ist in der Tat essentiell, fördert nun einmal die besten Ideen zu Tage, die irgendwo ganz unten, im Dunkel blubbern, dort, wo es ein bisschen dreckig ist, und nicht im Licht des Verstandes die weißen Flügel strecken. Und das gilt für die Kunst ebenso wie für die Wissenschaft. Die besten Ideen laufen Dir zu, wenn Du sie nicht dazu zwingst. Und das ist schwer. Loszulassen, sich zu entspannen, die Dinge herankommen zu lassen. Denn man will ja immer, immer, alles richtig machen und kein Kind sein, das nur herumspielt.

03.04.2017

Für Magda

Ich habe eine spezielle Idee von der Buchmesse mit an den Schreibtisch genommen, an der ich schon eine Woche sitze, und die verdanke ich die Begegnung mit der Krimilektorin Lisa Kuppler. Sie musste nur den Begriff Nebenhandlung erwähnen, und schon war mir klar, was bei mir im Argen liegt: ich brauche einen weiteren Handlungsstrang. Der zweite Herzberg- Roman hat bislang nur zwei Perspektivfiguren, an eine dritte, die einer Schlüsselfigur, hatte ich ganz am Anfang gedacht, sie aber doch nicht eingearbeitet und mich gewundert, warum der Roman noch immer so wenig Tiefgang hat. Und hier habe ich das sprechendste Beispiel dafür, dass ich mich zu sehr vom Kopf habe steuern lassen und nicht vom Instinkt, der mir zu Beginn der Planungen sagte: diese Frau verleiht dem ganzen Tiefe.

Diese Figur- sie hat eine ähnliche Funktion wie Susanne Ludwig im ersten Herzberg, die in dem Fall recherchiert und Herzberg den entscheidenden Hinweis liefert- ist ein alte Frau, Magda, die ich bislang zwar irgendwie ins Spiel bringe, aber ihr gesamtes Potential verschenke. Dabei ist sie die Schlüsselfigur, die, bei der die Geheimisse des Dorfs wie in einem Brennglas gebündelt sind. In ihrem eigenen Handlungsstrang mit eigenen Reflektionen könnte ich auch viel mehr von dem erzählen, was ich sonst alles in die Gespräche mit den Dorfbewohnern packen muss. Die Geschichte des Ortes zum Beispiel. Sein Zustand nach der Wende, die Befindlichkeiten der Menschen. Die Themen Verlust und Heimat. Die Einstellung Fremden gegenüber. Und ich kann ohne Informationsverlust noch deutlicher machen, dass Herzberg im Dorf gegen Mauern läuft mit seinen Ermittlungen! Denn sie ist es, die- ohne sie direkt auszusprechen- Informationen an den Leser bringt. Theoretisch so weit klar, beglückend die Tatsache, dass es mir eingefallen ist. Doch nun steht die Aufgabe an, den gesamten Plot nach dieser Prämisse abzuändern und damit ändert sich relativ viel. Aber genau das ist es, was den Schriftsteller zum Profi macht. Die Bereitschaft, alles wieder und wieder durchzukauen und zu ändern, bis sich das Potential einer Geschichte entfaltet hat. Es auszuhalten, dass es noch lange, lange nicht genug ist. Tolstoi hat "Krieg und Frieden" acht Mal geschrieben, heißt es. Und als das gedruckte Buch in seinem Schrank stand, hat er immer noch darin herum korrigiert.

26.03.2017

Die Buchmesse

Der letzte Tag der Buchmesse, doch für mich schon der Tag nach den Eindrücken, Erlebnissen, Begegnungen. Ich bin voller Ideen, begeistert, beglückt. Es ist unglaublich, dass Autoren so nette Menschen sind. Nun werden die – angeblich- großen Schriftsteller sagen: wir sind ein neidisches, boshaftes Volk, das ist Ausweis unserer Könnerschaft. Weit gefehlt, sage ich. Man kann so sein, wenn man sich selbst unglücklich machen will, aber das muss man nicht. Man vergibt sich nichts dabei, nett und hilfreich und kollegial zu sein. Es macht sogar froh. Ich jedenfalls möchte allen Kollegen, die ich getroffen habe (und das waren insbesondere Anke Gasch, Nina George, Sebastian Fitzek, Deniz Selek, Lisa Knuppe und Volker Kutscher) sagen: "Der Austausch mit euch ist Wasser auf meine Mühlen. Danke dafür!".

Ich bin mit so vielen Ideen heimgegangen. Kurioserweise laufen die mir mitten in einer Lesung oder einem Vortrag zu. Sie müssen gar nicht mal mit dem Thema, das gerade behandelt wird, in Zusammenhang stehen. Im einer Lesung von- das habe ich komischerweise schon vergessen- fiel mir ein, wie ich die Erzählung "Frau am Meer" beende. Sofort sprangen ein paar fertige Sätze aufs Papier, als hätten sie längst hinter meiner Stirn gestanden, gelangweilt von einem Bein aufs andere tretend. Wann nimmt die endlich mal den Stift in die Hand! Gehorsam habe ich viele Seiten in meinem kleinen blauen Notizbuch vollgekritzelt. Jetzt werde ich sie Stück für Stück umsetzen. Besser hätte es für mich auf der Buchmesse nicht laufen können. Nun freue ich mich auch schon wie verrückt auf den Besuch der Criminale in Graz.

31.03.2017

Kein Schreiben ist auch keine Lösung

Ich versuche mich am Exposé. Instinktive Abwehr dagegen. Weil das Buch noch zu nahe ist, ich weiß, dass ein objektives Urteil unmöglich ist, und ich vielleicht nicht allzu begeistert sein werde, wenn ich es jetzt Stück für Stück durchgehe, um mir die Handlung vor Augen zu führen. Die dann verdichtet in ihrer Bedeutung, also sehr abstrakt, dargelegt werden muss. Wer wie was warum, welche Triebkräfte, welche Gegenkräfte und wie windet sich der Held- unter Schmerzen- da raus. Im Krimi: wie kommt er dem Täter auf die Spur und entwickelt dabei eine neue Facette seiner Persönlichkeit- unter großem Druck? Was hat der Fall mit ihm zu tun? Auf welche Weise sind die Fehler und Irrtümer, die er bei seiner Suche nach dem Täter macht, durch ihn, seine Persönlichkeit, seine Geschichte, bedingt? Was muss er tun, um Hindernisse beiseite zu räumen, die durch seine Außenwelt auf ihn einstürmen, beruflich und privat? Mein Gehirn will immer noch ausruhen, vierzehn Monate hat mich dieser Herzberg in Dauerschleife beschäftigt.

Ich habe auch keine Lust auf etwas Neues, dafür ist es zu früh, sehne mich aber doch nach dem Rausch der Worte, die wie von allein lospreschen, frei und leicht, ohne großes Zutun. Was in letzter Zeit ein wenig kurz kam und an meinem diesmal sehr planvollen Vorgehen gelegen haben mag. Ich habe den Roman wirklich minutiös konstruiert und mich beim Verfassen des ersten Entwurfs eng daran orientiert. Nach Auffassung mancher Schreiblehrer ein Fehler. Ich dachte jedoch, es wäre ein Vorteil, so vorzugehen und in einer Hinsicht ist es das auch: nacharbeiten, verbessern, Fehler bereinigen müssen, grundlegende Fehler, das dürfte geringer ausfallen. Den ersten Roman hatte ich ja auf die wilde Art und deshalb vier Mal komplett geschrieben, was viel ist, zu viel. Andererseits hatte ich damit den Fokus eher darauf gelegt, die Geschichte zu erspüren, sie sich aus einer Fülle an Ideen und Texten heraus langsam und organisch entwickeln zu lassen. Dieses Mal wollte ich alles anders und somit richtig machen, denn hurra: ich habe ja einen Buchvertrag. Ist das Professionalität? Und falls ja: Gewinn oder Verlust? Und wie immer schlage ich zur Beantwortung solcher Fragen ein Buch auf. Diese Arbeitsweisen: planvoll oder wild, werden in der Schreibforschung oft als gegensätzlich beschrieben, manche favorisieren das eine oder andere. Es gibt angeblich Kopfschreiber und Bauchschreiber. Wozu gehöre ich? Dieses Mal war ich eher ein Kopfschreiber. Ob ich es schaffe, mich in Zukunft wieder vom Gespür tragen zu lassen, mich darauf zu verlassen, dass passiert, was passieren muss, und zwar ohne allzu großes Zutun, nämlich wenn man die Geschichte mehr sich selbst überlässt, ein bisschen den Kopf abwendet? Oder liegt der richtige Weg irgendwo in der Mitte? Ich bin gespannt...

20.03.2017

Immer langsam...er

Seit Tagen eine unangenehme Entzündung der Sehnen am rechten Mittelfinger, der Schmerz strahlt in alle möglichen Richtungen aus, ins Handgelenk und die benachbarten Finger. Ich creme und versuche, Ruhe hinein zu bekommen, aber es wird nicht besser. Wozu dient das Ganze, frage ich mich. Ich kann nur ganz langsam, Buchstabe für Buchstabe, tippen. Diese Verlangsamung, was soll mir das sagen? Soll ich nach all dem Tempo der letzten Monate langsam weiter machen? Mich besinnen? Pausieren, länger als die fast zwei Wochen, die ich es bis jetzt schon getan habe? Nimmt sich mein Kopf die Pause, die er haben will? Ohne mein Einverständnis? Frechheit.

15.03.2017

Ohne Titel

15.3. 2017, 11:39 Uhr. Ich bin FERTIG!!!

13.03.2017

Auf der Zielgeraden

Es fühlt sich großartig an, fertig zu werden. Noch großartiger beim ersten Sonnenschein nach Wochen, der Lust auf den Frühling macht, auf Veränderung. Ein Kapitel wird abgeschlossen. Ein Lebensabschnitt auch. Es heißt ja immer, das zweite Buch ist das Schwerste, ich selbst merkte es daran, dass meine innere Anspannung größer war als sonst, ich zwischendrin gar dachte, mir käme die Freude am Schreiben abhanden. Entsprechend schlecht war der Nachtschlaf von Zeit zu Zeit, besonders in der ersten und der vorletzten Schreibwoche. Ich stelle noch immer fest, dass das Gefühl, es nicht gut genug gemacht zu haben, einen prominenten Platz in meinen Gedanken zu dem Buch einnimmt. Dazu sagt David Michael Kaplan in dem Buch "Die Überarbeitung "zwar, dass man ein Werk erstmal beiseite legen MUSS, ehe man es beurteilen kann und die ersten Entwürfe sich nach einer gewissen Zeit gar nicht als so schlecht erweisen, wie gedacht. Ich darf also gespannt sein…

Ich brauche jetzt das Nachlassen der Spannung, dieses inneren Drills, jeden, jeden, jeden Tag weiter schreiben zu müssen. Urlaubszeit. Mitten im Jahr. Zeit der Ruhe, des Abwartens, etwas, das ich schwer kann. Meine Erfahrung bislang ist ja, dass ich spätestens nach ein, zwei Tagen wieder etwas Neues anfange. Ich müsste wegfahren, Raum zwischen mich und meinen Schreibtisch legen, das wäre simpel und effektiv.

06.02.2017

Tal der Tränen, Tal des Schweißes

Vier Wochen später, die Krise, das Tal der Tränen ist da. Ich werde noch ein, zwei Wochen brauchen, um den Romanentwurf abzuschließen. Nächste Woche haben die Kinder schon Winterferien, mal sehen, was ich bis dahin schaffe, eigentlich wollte ich fertig sein, um gemeinsame Zeit zu genießen. Hirn und Rücken schreien nach einer Pause, die Energie läuft durch alle Ritzen und Löcher ab, nur noch Reste, die ich festhalten kann, um den letzten großen Schwung-es ist immerhin der Showdown- zu schreiben. Uff. Ich habe es schwer, mich aufzuraffen. Bin sehr leicht abgelenkt. Liegt es daran, dass das neue Jahr seinem Frühling entgegen geht? Dass wir mehr Licht haben, das mich immer etwas unruhig und fahrig macht? Ich bin ein klassischer Winterschreiber, genieße das dumpfe Außen, um mich im Inneren richtig aufzufalten. Wir werden sehen. Vielleicht liegt es mal wieder daran, dass ich zu leicht enttäuscht bin von dem, was ich da schreibe. Ich merke, dass eben nichts perfekt ist in diesem ersten Entwurf. Und damit: dass ich mich wieder beurteile, obwohl das in diese Arbeitsphase nicht hineingehört. Soll ich nicht, weiß ich. Und doch. Ich vermisse das Gefühl, dass es schwingt, dass es stimmt, dass ich am Ende angekommen bin, dass es besser nicht geht. Darauf läuft alles hinaus, man will einfach dieses Glück erleben, und dafür muss man erst durch das Tal des Schweißes. Also los. Weiter. Noch ein Stück, ist ja bald geschafft.

03.01.2017

Frohes neues Jahr!

Ein neues Jahr.

Das Jahr des Erscheinens meines Erstlings. Und ein neuer Roman, der jetzt noch im ersten Entwurf fertig gestellt wird. Draußen ist es richtig winterlich, das ist herrlich. Der nächste Höhepunkt, auf den ich zusteure, ist die Krise. Die nach drei Vierteln des Romans ungefähr eintritt. Jetzt, nach der Hälfte, ist Herzberg oben auf. Im Job ist zwar einiges schief gegangen, aber er darf zurück in seine alte Abteilung. Darf bei der Lösung des Mordfalls Schröter mitwirken. Herzberg ist also obenauf. Damit habe ich die Fallhöhe, die es braucht, um ihn so richtig abstürzen zu lassen. Gerade ist mir auch eine Idee für das Ende gekommen. Ich brauche einen Epilog, der das schreckliche Ende, das ich vorgesehen habe, wieder aufhebt. Ein positives Gefühl des Lesers muss am Ende stehen. Wir sind in der Unterhaltungsbranche.

06.12.2016

Der liebe, gute Nikolaus (bläst mir wohl die Lichter aus)

Viel Selbsterforschung also. Heute gab es zum Nikolaustag ein Sachbuch über Autoren. Zuerst Freude, na klar, denn ich lese gern über Autoren. Dann aber mehr und mehr: Ernüchterung, beginnende Minderwertigkeitskomplexe, Mutlosigkeit. Die dort drin, das sind die Echten. Alle anderen die Stümper. Schreckliche Angst davor. Nicht zu genügen, nicht dazuzugehören. Dann steht da noch irgendwo der Satz: trotz Vorbehalte gegen Kriminalliteratur Stieg Larsson gelesen. Hallo? Und im Nu versiegt der Strom, oh ja, das ist leicht möglich. Dabei war gestern so ein schöner Tag. Es ging voran, ich habe mich gut in meinen Text einfühlen können und es lief, die Quelle sprudelte. Mal sehen, ob ich sie heute finde. Aber in diesem Buch sollte ich wirklich nicht mehr lesen, es tut mir nicht gut. Ich muss eine Möglichkeit finden, mich von der Anerkennung durch andere zu lösen, was extrem schwer ist. Gar nichts darauf zu geben. Aber heute tun, was ich tun kann. Vielleicht sollte ich mittags noch einmal in die Stadt, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen.

05.12.2016

Künstlerkind uns Freude bringt

Wir haben zur Zeit herrliches Winterwetter, es ist sehr kalt, aber windstill und sonnig, schönes, fahles, helles Winterlicht. Ganz herrlich. Ich habe festgestellt, dass man sich auch im Nachdenken über das Schreiben sehr verlieren kann, wenn man sich schon im Schreiben des aktuellen Romans nicht verlieren kann. Diese genaue vorherige Planung ist es wahrscheinlich, die mich so hemmt, die kreative Energie zum Versiegen bringt. Vielleicht ist das Künstlerkind beleidigt, verschränkt die Arme und sagt: "Wenn du alles schon so genau weißt, wozu brauchst Du mich dann noch?". Erfahrungen, Erkenntnisse, die daraus erwachsen, die sind eben nicht immer schön. Aber muss man als Autor wohl aushalten.

30.11.2016

Wie wäre es mit einem Backbuch statt eines Krimis?

Heute zum Frühstück habe ich mir nach langer Zeit mal wieder das Schreibbuch von Natalie Goldberg vorgenommen und schon die ersten Seiten haben mich erschüttert, weil sie den Kern des Problems angetippt haben. Ich schreibe zur Zeit vor allem mit Druck, will in erster Linie mein Pensum abarbeiten, hinter mich bringen, den ersten Entwurf zustande bringen. Ich habe den Kontakt verloren zur Quelle des Schreibens, zur Liebe, zur Freude.

Ich breche in Begeisterung aus über den Gedanken, Plätzchen zu backen. Weil ich es mit Freude tun würde, ohne den Drang, perfekt darin sein zu wollen, mich auf einem riesigen Plätzchenmarkt beweisen zu müssen. Rückkehr zu den Quellen ist wohl das Motto dieser Wochen. Das tun, was ich am Anfang getan habe: viel schreiben, ohne Unterbrechung. Wieder spüren, wo mich das Schreiben hinträgt, ohne Anstrengung. Es kostet mich so viel Kraft, mich anzutreiben! Ich denke: wird doch sowieso nicht gut. Und merke, dass ich mir den Kopf darüber zerbreche, wie ich besser schreiben könnte, wie die geschicktesten Schachzüge zu konstruieren sind, und vertraue der Quelle nicht. Misstrauen gegen mich selbst, Vernachlässigung der Kreativität, Zwang, Druck.

Alles nicht gut. Halten Sie die Hand in Bewegung, halten sie nicht inne, um die Zeile noch einmal zu lesen. Das würde eine Verzögerung bedeuten- den Versuch, die Gedanken unter Ihre Kontrolle zu zwingen. Schreibt Natalie Goldberg, und noch: Lassen Sie sich gehen. Das weiß ich doch alles schon. Eigentlich. Warum passiert es mir dann, so gegen mich zu arbeiten. So wird das jedenfalls nichts, weiß ich nun wieder einmal, so kann ich mich nicht weiter vor mir her treiben. Das ist so lieblos. Schrecklich. Also: Mir selbst gut zureden, die Zweifel beiseite schieben. Die Quelle sprudeln lassen. Den Kopf ausschalten. Beiseite treten. Und los.

28.11.2016

Winterfreuden

Wir bekommen endlich so etwas wie Winter, die Temperaturen sinken und es kommt so etwas wie Weihnachtsstimmung auf. Allerdings sind auch wieder Viren im Anmarsch, das sollte hier nicht von Interesse sein, zeigt aber, an welchen Kleinmist Schriftsteller Energie verlieren. Ich bewege mich jetzt auf die Mitte des Romans zu, den Punkt, an dem die Fallermittlungen ihren entscheidenden Wendepunkt erfahren. So langsam entwickle ich ein Gespür dafür, was die heißen Stellen des Romans sind, die zentralen Dreh- und Angelpunkte, die Schlüsselszenen. Sie erfordern die meiste Kraft. Mal sehen, wie es weitergeht.

18.11.2016

Inspiration

Ich habe gerade Anthony Doerrs grandiosen Roman "Alles Licht das wir nicht sehen" gelesen. Das hätte ich besser sein lassen. Welches Buch will man danach eigentlich noch schreiben? Auf der einen Seite. Auf der anderen: ob ich das auch kann, eines Tages? So viel Welt, Leben in eine Geschichte verwandeln, die durch ihre Wucht und ihre Poesie dieses in tausend neuen Facetten strahlen lässt. Wie Blütenblätter legen sich die vielen Bedeutungen um einen Satz, er faltet sich auf, neue Räume entstehen, Flügel wachsen aus ihm heraus. Das Licht wird nicht nur einmal gebrochen. Große Sehnsucht, die Welt auf diese Weise zu vervielfältigen. Seine starken Verben vor allem, ich muss das Buch kaufen und mir alle herausschreiben. Unglaublich beglückt nach diesem Leseerlebnis, das schaffen nur ganz wenige Autoren bei mir.

07.11.2016

Was sein muss, muss sein!

Diese mühevollen ersten Entwürfe. Ich schreibe derzeit immer einen Tag, das macht ungefähr hundert Seiten, dann überprüfe ich das Geschriebene, merze das Schlimmste aus. Ist dieses Vorgehen gut? Es hemmt nämlich auch das schnelle Vorankommen, hindert das Gefühl, etwas zu schaffen, fühlt sich an wie Beton an den Füßen.

Ich erinnere mich an das Glück des Vierten Entwurfs beim ersten Roman. Es wurde besser und besser. Wie gut eine Geschichte ist, hängt davon ab, wie sehr ihr Schreiber sich in sie vertieft hat. Immerfort denke ich: kann ich nicht direkter an meine Geschichte herankommen? Muss ich es wirklich aushalten, erst einmal so schlecht zu schreiben, ehe ich eine ungefähre Vorstellung davon habe, was Gegenstand der Geschichte ist und wie ich sie erzählen muss? Häutungen. Notwendigkeiten. Zuerst erzähle ich all das, was die Geschichte nicht ist. Ich schäle alles ab- die Unklarheiten, Vagheiten, die Klischees, die vor allem. Mein Schreiben ist im ersten Durchgang immer voller Klischees, die ich abspule, wenn die Figuren in bestimmte Situationen geraten. Das Vorhersehbare, all das bevölkert mich, müllt den Urgrund zu, der da allein und still vor sich hinkreist. Die dicke Suppe am Grunde der Geschichte. Aber alle das Nichtige muss heraus, aufs Papier, sonst verseucht es das, was darunter liegt. An da sich nur herankomme, wenn ich die oberste Schicht der Idee abtrage und das Messer auf dem Papier abstreiche. Und dann habe ich die Chance, eine ungefähre Vorstellung davon zu entwickeln, wie die Geschichte wirklich geht. Was die Geschichte wirklich ist.

Häutung. Mich selbst ablegen. Ja, ich denke, der Grund der Notwendigkeit dieses Arbeitens liegt in dem Schreiber. Er ist, was er ist und er ist nicht frei. Ich bin die Summe meiner Erfahrungen und die zwingen mein Schreiben in eine bestimmte Richtung. Sich selbst ablegen, die eigene Wahrnehmung abgeben, die eigene Erfahrung auch ein Stück weit, frei werden für die Phantasie, für das, was andere, die Figuren nämlich sind, wer sie sind, was sie denken, das erfahre ich nur, wenn ich mich abstreife wie einen Mantel. Auch dazu dient der erste Entwurf. Beziehungsweise dort hat er seinen Urgrund. Zur Seite treten, Platz machen für die Geschichte und ihre Helden, die ganz anders sind als ich. Meine Weltsicht, meine Erfahrung hilft ihnen auf, aber sie sind doch sehr verschieden von mir.

Der Schlüssel allem guten Schreibens ist, wie tief sich der Schreiber in die Geschichte versenkt. Und das braucht Zeit. Gute Romane werden nicht nebenbei geschrieben. Niemals. Es sei denn, über sehr, sehr viele Jahre. Und unter gewaltigen Mühen, denn es ist eine Qual, nicht jeden Tag bei seiner Geschichte sein zu können, im Fluss zu bleiben.

21.09.2016

Ich will hier weg

In eineinhalb Wochen sind Herbstferien und ich werde eine Woche Urlaub machen. Eine erste, wichtige Etappe ist vollbracht. Das sollte mich freuen, tut es aber nicht. Ich schlafe schlecht, kann irgendwie keine Ruhe finden und fühle mich entsprechend ausgelaugt beim Schreiben. Die Muse hat es schwer, wenn eine Nebelwand aus Müdigkeit im Kopf sitzt und man sich kaum konzentrieren kann. Es fühlt sich an, als würde ich diesen ersten Entwurf wie einen Riesenstein vor mir her schieben. Dann ist das Wenige, das ich schreibe, natürlich auch wenig zufriedenstellend und die Unzufriedenheit wird noch größer. Diese traurige Grundstimmung folgt mir bis in den Schlaf und ich werde viel zu zeitig wach, bin wie aufgezogen und schlafe erst spät wieder ein. Wache dann mitten am Vormittag auf, bin nicht ausgeruht und kann kaum schreiben. Ein Teufelskreis. Ein Psychoding, eindeutig. Im Urlaub schlafe ich ja auch ganz wunderbar acht bis neun Stunden, ganz ohne Probleme. So aber kann das nicht weitergehen, denn das Schreiben ist ja mein Leben. Und ich liebe es und schätze mich glücklich, dass der Einstieg ins Berufsleben mit Verlagsvertrag so unproblematisch geklappt hat. Aber auch die Angst hockt einem im Nacken. Was, wenn das nächste Buch nicht annähernd so gut wird? Was, wenn ich die Lust und die Freude am Schreiben ganz verliere? Der Druck muss irgendwie weg. Aber wie?

Es gibt kluge Antworten zuhauf. Lass locker, mach Dich nicht verrückt, erlaube Dir schlecht zu schreiben, sorge gut für Dich, iss gut, bewege Dich viel, hab Spaß. Aber manchmal funktioniert das trotzdem nicht so recht. Ich habe dann regelrecht Angst, die Datei zu öffnen und mir den Müll anzusehen, der da schon steht. Aber es hilft nicht, ich muss es tun.

08.09.2016

Anschnallen und Hände vom Lenkrad!

Fast zwei Wochen sind nun schon mit sogenanntem „Reinschreiben“ vergangen, und das hat lange nicht so geklappt, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich habe angefangen, gelesen, verworfen, neu angefangen, parallel dazu einen Schreibratgeber gewälzt, um auch ja nichts zu verpassen, keinen Fehler einzubauen oder Mangel entstehen zu lassen, an Konflikt, an Spannung. Und war permanent unzufrieden. Zu allem Übel habe ich auch noch sehr schlecht geschlafen. Alles in allem war es keine schöne Zeit. Bis gestern.

Gestern habe ich mich auf einen sehr alten, schon oft gelesenen und auch eigentlich auch beachteten Grundsatz zurückbesonnen. Der da lautet: der erste Entwurf ist niemals qualitätvoll und veröffentlichungsreif. Er dient dazu, die Geschichte einfach herunter zu schreiben. Sich von all dem Ballast zu befreien, der im Kopf herumschwirrt. Die Geschichte muss einem mindestens einmal komplett durch die Finger gegangen sein, ehe man sie so gut kennt, dass man weiß, wie man sie erzählen muss. Tage, Monate des Schweißes und der Tränen, an denen man sich voran quält, ohne dass einen das eigene Geschriebene begeistert, ohne dass man denkt: ja, das ist es. Ich tauche gerade bis auf den Grund. Aber wohl eine absolut notwendige Stufe des Romans, und nicht zu umgehen. Leider.

Ich hatte geglaubt, diesen Weg abkürzen zu können, indem ich zweihundertdreißig oder mehr Seiten Handlungsentwürfe schreibe, mit Dialogen und lauter Hinweisen, wie die Szenen zu gestalten sind, aber weit gefehlt. Das Durchschreiben, in Zusammenhängen, das ist noch einmal ganz anders und kaum antizipierbar. Dazu gehört eben auch Schwung, Begeisterung, Gefühl und die sind, so mein Verdacht, schwerer aufzubringen, wenn man schon so übermäßig viel in Strukturen gedacht hat. Aber zurück zum Eigentlichen: Der erste Entwurf ist und bleibt der erste Entwurf. Und der ist immer Mist, wie schon Hemingway sagte. Tja, und da habe ich mir irgendwann ausdrücklich erlaubt, einen schlechten ersten Entwurf zu schreiben. Was für eine Befreiung! Es geht darum, ihn abzuarbeiten, mehr nicht. In die Geschichte hineinzukommen, den Roman, der daraus letztlich werden wird, kennenzulernen. Ein erstes Date, nicht mehr. Und das muss und darf gar nicht perfekt sein.

29.08.2016

How to grill an author

Affenhitze, ungewohnt in diesem Sommer, nicht wirklich willkommen, denn es denkt sich schwer bei solchem Wetter. Mir ist, als würde mein Gehirn gegart.

Aber was soll's. Heute ist ein wichtiger Tag, Tag eins der Reinschrift. Bis letzten Mittwoch war ich mit allen Vorbereitungsarbeiten so gut wie fertig, abgesehen von ein paar Recherchen, die sich hoffentlich nicht als so tiefgreifend herausstellen, dass sie Änderungen im Handlungsgerüst erfordern, wenn ich sie erst später erledige. Also: die Spuren sind gelegt, die Figuren stehen in den Startlöchern und scharren mit den Füßen. Ich weiß, wohin die Reise für sie geht. Zweihundertsechzig Seiten Handlungsentwürfe sind geschrieben, zusätzlich zu ungefähr vierzig Seiten Figurenbiografien und vielen hundert A 4 Schmierblättern, die längst zusammengeknüllt im Müll liegen. Man sollte meinen, es erleichtere die Arbeit, es beruhige irgendwie, einen Plan zu haben, aber das stimmt nur bedingt. Denn erstens kann das durchaus- und dies wird oft von Schriftstellern bemängelt- den Schreibfluss hemmen, und zweitens kommt jetzt die eigentliche Arbeit. Und die besteht darin, das Material in genau die Form zu bringen, die das, was die Geschichte ausmacht, auf die beste, d.h. unterhaltsamste, spannendste, betörendste Weise transparent werden lässt. Die eigentliche Kunst ist es, eine lebendige Mis- en- scene- ans Licht zu bringen. Das Wichtigste dabei sind die Figuren, lebendige, vielschichtige Charaktere. Ihre Wünsche und Leidenschaften, ihren Schmerz, ihre Freude, die den Roman leiten, müssen zum Glühen und Leuchten gebracht werden. Von ihnen allein hängt es ab, wie die Lösung des Falles vorangeht, sie geben selbstverständlich Stimmung und Farbe einer Szene vor. Man muss stets im Hinterkopf haben, wer sie an einem bestimmten Punkt des Geschehens sind, was sie leisten können und was nicht. Sie müssen durch jede ihrer Handlungen, jeden Satz, jede Geste, jeden Gedanken, sogar bis in die feinsten Verästelungen ihrer Sprache als sie selbst zu erkennen sein. Und sie sind niemals starr, sie bewegen sich in Relation zu anderen Figuren, stehen in Wechselwirkung zu den Ereignissen, mit denen sie konfrontiert werden und werden sich an all dem abarbeiten, sich bewähren oder versagen.

Ich habe mir vorgenommen, auch die Landschaft zu solch einem Faktor werden zu lassen. Die Figuren sind als sie selbst nie festgeschrieben. Veränderung ist die wichtigste Konstante im Roman. Und bei alldem weiß ich eines sowieso: jede Frage, die man beantwortet, wirft neue auf und man bekommt schnell das Gefühl, niemals zu einem Ende zu gelangen. Auf diese schreckliche und schöne Weise entfaltet sich dann über viele Monate die ganze Welt eines Romans mit seinen Nischen und Kammern. Jede muss ausgearbeitet werden, sonst bleibt es ein Kasten mit vier geraden Wänden. Das ist es, was mein Leben in den nächsten Monaten ausmachen wird. Ob ich es noch einmal so hinbekomme, dass wichtige Menschen im Buchbetrieb meinen, man könne damit ein Publikum begeistern? Es gibt nur eine Möglichkeit, es heraus zu finden.

24.06.2016

Auf Herzbergs Fahrrad

Hinter mir liegt das, was ein Schriftsteller ziemlich gern hat: die Zeit des Atemholens zwischen dem Ende der Vorbereitungen eines Romans und dem Beginn des reinen Schreibens, denn das ist oft die Zeit des letzten Input, der nicht am Schreibtisch eingeholt wird, sondern dort, wo der Roman spielen soll: an einem bestimmten Ort.

Ideal, wenn man den nicht nur in der Phantasie bereisen kann. Es ist leichter, ein Gespür für diesen Raum zu bekommen, wenn man ihn in den eigenen Knochen spürt, weil man zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs ist. Ein erlebter Raum kann auch im Roman erlebbar werden und das bedeutet: er ist keine Kulisse, sondern steht in Beziehung zu den Figuren. Der Roman soll zeigen, wie sie diesen wahrnehmen, wie sich diese Wahrnehmung ändert, vielleicht verändern sie sich selbst durch das Erleben dieses Raums. Und das habe ich in den letzten Tagen an mir selbst gespürt. In Herzbergs Fall geht es diesmal um eine ganz bestimmte Landschaft: sanft, lieblich, unaufgeregt. Mecklenburg. Die Gegend um Demmin, Dörfer wie ein langgestrecktes Gähnen, das Auf und Ab der Hügel, der Wald, Buche an Buche, satt, grün. Felder. Weizen, Raps, Futtermais, bis dicht zum Wald oder an die Straße heran. Dazwischen lange Bänder aus Gesträuch. Das ganze Land schreit: ich bin fruchtbar! Kaum Autos auf den bedachten Alleen, ich war fast allein mit meinem Fahrrad. Mächtige Linden beugen sich bis zur Straßenmitte. Distanzen werden gerechnet in der Maßeinheit der eigenen Körperkraft, die einen von da nach dort bringt. Und eben nicht weiter. Verlangsamung der Fortbewegung, Verkürzung des Erreichbaren. Eine Wohltat. Hektik ist unmöglich. Die Augen haben Zeit, sich rechts und links satt zu gucken. Besänftigung schließlich.
Wie wird sich das Erleben dieser Landschaft und der Menschen, die durch sie geprägt sind, auf Herzberg auswirken? Greift es ein in die Strukturen seines Denkens? Wird er viel spazieren gehen? Ich bin gespannt...

06.06.2016

Katz und Maus

Ich bin nun schon fast ein halbes Jahr mit dem Roman beschäftigt, das heißt: ich lebe mit seinen Protagonisten, ich denke mir aus, was sie tun, weil sie von ganz bestimmten Zielen geleitet und dabei von bestimmten Motiven vorangetrieben werden. In meinen Handlungsentwürfen ist der Midpoint überschritten und für einen Krimi heißt das: die falschen Fährten laufen aus, die richtige rückt in den Fokus, wobei der Held bis kurz vor dem Showdown noch immer nicht kapiert, dass er schon längst auf dem Weg zum Täter ist.

Vor allem sollte mein Mörder jetzt langsam aktiver werden. Bislang hat er beobachtet, wie der Held agiert, wie die Ermittlungen vorankommen, aber so langsam schwant ihm, dass die Sache mit dem Unentdeckt bleiben schwieriger ist als gedacht. Also muss er handeln, denn mein Ermittler ist ihm auf den Fersen, freilich noch, ohne es zu wissen, dafür mit einem zunehmend komischen Gefühl. Heute, an einem entscheidenden Abend in Herzbergs Leben, an dem der Weg, der geradeaus ins Glück zu führen schien, plötzlich eine Abzweigung nimmt, kehrt er ins Dorf zurück. Und trifft dort auf den Täter, der versucht, ihn in die Irre zu führen...

04.05.2016

Denkk(r)ampf

Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass man sich morgens an den Schreibtisch setzt ohne eine Vorstellung davon zu haben, was man schreiben wird. Und dann, kaum hat man die (manchmal nervend lange) Phase des Zierens überwunden und die ersten Sätze geschrieben, da purzeln die Ideen und man kann kaum hinterher. Deshalb liegen rechts oben auf meinen Schreibtisch Stapel früherer Textentwürfe, die nun als Notizpapier gebraucht werden: für schnelle Figurenbeschreibungen, für Szenenskizzen, und, was ich am liebsten habe: für Dialogteile. Was immer mir einkommt, ich schreibe es sofort auf. Vergessen ist oft für immer vergessen. Und das wäre einfach schade.

Denn: die Ideen kommen beim Schreiben, nicht vorher. Sie halten sich an keine sinnvolle Reihenfolge, sie warten nicht, bis sie dran sind, weil man gerade mit einem anderen Gedanken beschäftigt ist. Sie tippen einem kurz auf die Schulter, hinter sich schon eine Schlange der nächsten halbgaren Einfälle, und jedem von Ihnen möchte man soviel Zeit widmen, damit man sie alle erfassen, ausbauen und weiter verbinden kann. Daher die Zettel. Schnell schreiben können hilft auch. Und das zunächst scheinbar zusammenhanglose Zeug entpuppt sich oft bald als höchst bedeutsame Querverbindung. Etwas, dass unser Gehirn offenbar am besten dann leistet, wenn es ungestört vor sich hinspielen kann. Das Denken ist ein Spiel, vielleicht ist Denken auch gar nicht der richtige Ausdruck. Assoziationen sind frei und verrückt. Oft ist man in Versuchung, krampfhaft über eine Fragestellung, ein Problem nachzugrübeln. Und prompt verschränkt das Gehirn die Arme und sagt: ach, lass mich doch in Ruhe. Und kaum hat man genervt den Schreibtisch verlassen und sich dem Bügeltisch oder der Waschmaschine zugewandt oder sitzt auf dem Fahrrad in die nächste Bäckerei, da präsentiert es einem nonchalant die fertige Lösung. Es geht nur ohne Krampf, das ist eine nicht immer angenehme Erfahrung.

01.05.2016

Es grünt so grün

Nun bin ich im Stadium der „fließenden Handlungsentwürfe“ (E. George). Das bedeutet, dass ich eine Vorstellung davon bekomme, was in den einzelnen Szenen geschieht und wie sie die Handlung generieren. Dabei habe ich die wichtigsten Stationen des Romans im Blickpunkt und das sind die Punkte, an denen sich die Handlung in eine neue Richtung dreht. Am Anfang, wenn sich der Held auf sein Ziel einschwört.

Herzberg ist an einem Punkt, wo er so viele überraschende Informationen gesammelt hat, dass er mitten in einer Beerdigungsfeier beschließt, den Toten, um den sich ein ganzes trauerndes Dorf versammelt hat, von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmen zu lassen. Und damit lässt er in dem so friedlich scheinenden Ort die erste Bombe hochgehen.

03.02.2016

Puppenspielereien

Über die wichtigsten Figuren des Romans bin ich mir klar geworden. Niemand ist ein einfacher Charakter, auch weder gut noch böse. Jeder hat Geheimnisse, ist verletzbar. Die prägenden Ereignisse aus der Vergangenheit lassen die Figuren nicht los. Und einer wird zum Mörder, als er mit einer Extremsituation konfrontiert wird, die die alten Wunden aufreißt und er alles zu verlieren droht, was er sich aufgebaut hat. Fatalerweise ist der Täter jemand, zu dem Herzberg in dem mecklenburgischen Tausendseelenort einen Kontakt herstellen an. Denn Fremde sind nicht gern gesehen. Obwohl die Hälfte der Bewohner selbst Zugewanderte sind in ihrer Heimat, verteidigen sie sie umso stärker, als sie sie nach Flucht und Vertreibung hart erkämpft haben. Die Geschichte, die eine Reihe fataler Ereignisse auslöst, die schließlich zu einem Mord führen, ereignete sich in den letzten Tagen des April 1945, als das militärisch bedeutungslose Dorf, durch einzelne Bewohner aufgehetzt, einen Verteidigungskampf gegen die herannahende Sowjetarmee lostritt.

Als nächstes werde ich mich mit den Mechanismen dörflicher Gemeinschaften beschäftigen, denn sie sind es, die das gesellschaftliche Leben und das Vorankommen der Ermittlungen beeinflussen. Zumindest solange, bis Herzberg lernt, sie für sich auszunutzen.

Einen wichtigen Hinweis in dieser Sache verdanke ich dem großartigen Roman „Altes Land“ von Dörte Hansen. In einem Dorf, so dachte ich bislang, gibt es eine „Mauer des Schweigens“ (ein klischeehafter Topos, der mir eigentlich nicht gefällt) gegenüber Fremden, Eindringlingen, man teilt sein Leben und seine Geheimnisse nicht mit ihnen. Die Enge einer dörflichen Gemeinschaft erfordert aber genauso die Abschottung im Inneren, einer Familie gegen die andere. Es gilt das Motto „da sehen wir nicht hin, das geht uns nichts an“. Auf diese Weise kann Leid unhinterfragt und unangetastet über Jahrzehnte ein zerstörerisches Potential entfalten.

Womit ich wieder bei meinem Täter bin.

19.01.2016

Aller Anfang

Geburtstag von Poe und Patricia Highsmith, was für Paten für diesen Tag! Ein neues Jahr, ein neuer Roman. Wieder ein Krimi, natürlich ein Fall für den Neubrandenburger Ermittler Michael Herzberg. Die Plotidee steht, Vorgeschichte der rätselhaften Todesfälle ist eine noch ältere Geschichte als die, die ich im ersten Band erzählt habe.

Herzberg ist nach Beendigung seines letzten Falles, dem Mord an Ex- Major der NVA Hans Konrad, beruflich an einem Nullpunkt angelangt. Er hat einen Kollegen überführt und sich damit in der Behörde isoliert. Zur Strafe hat man ihn in eine andere Abteilung weggelobt, wo er wegen Häufung rechtsradikaler Straftaten das Ermittlerteam um den Staatsschützer Hermann Meier verstärken soll. Ihm ist klar, dass seine Aussichten, Heinz Jansens Chefsessel zu erben, passé sind, aber das stört ihn nicht allzu sehr, denn privat könnte es nicht besser laufen. Ariane Konrad ist ein Teil seines Lebens geworden, er ist verliebt, mehr noch, er hat sein Glück, seine Zukunftspläne eng an ihre Person gebunden. Die wunderbare Desiree Weigand wird in diesem Roman eine wichtige Rolle spielen, das weiß ich auch schon. Sie trägt ein Geheimnis mit sich herum, das ganz am Ende gelüftet werden soll.

Nun heißt es, alle antagonistischen Kräfte im Roman zu bestimmen, das müssen ja nicht nur Figuren sein, auch das Dorf, in dem Herzberg ermitteln wird, die eingeschworene Gemeinschaft mit ihren Mechanismen des Zusammenhalts, der Geheimniskrämerei, erweist sich als harte Nuss, die Herzberg knacken muss. Allem voran natürlich der Täter, es wird jemand sein, der Herzberg nahesteht, der imstande ist, ihn eine zeitlang über seine wahre Bedeutung zu täuschen. Das Thema Täuschung, Ent- Täuschung, Masken und Rollen und ihre Entlarvung kreist neben Themen wie Ankunft und Heimat um den glühenden Kern des Krimis: dem ans Licht kommen einer alten, sehr alten Geschichte. Denn die Vergangenheit lebt in den Menschen, solange sie sind, sie kann jederzeit auf sie zugreifen und sie völlig aus der Bahn werfen. Manchmal schaffen sie es, sich davon zu befreien. In den meisten Fällen lassen sie bei dem Versuch, mit einer solchen unerwarteten Wiederkehr fertig zu werden, tüchtig Federn. Dann kann es sein, dass sich die angestaute Wut und Enttäuschung in einem Mord entladen, den der Täter sich selbst nie zugetraut hätte. Das völlige und unerwartete Aus- der- Rolle- fallen.

Viel wurde schon aufgeschrieben. Ideen gesammelt, Skizzen, Übersichten angelegt. Nun aber ist es Zeit, sich ganz genau anzusehen, wer neben Herzberg und Desiree als Perspektivfiguren die handelnden Akteure sind. Allen voran der Täter, ein Mensch mit einem gelungenen Leben, bislang. Das bedeutet zunächst, ausführliche Biografien zu schreiben, zu wissen, woher sie alle kommen, wer sie geworden sind, wie und warum, wie sie sich in dem Roman verändern werden. Alle ihre Schrullen und Vorlieben müssen festgelegt werden, Träume, Sehnsüchte, typische Interaktionsmuster. Nur so kann man wissen, wie ein Charakter agieren wird, wenn er mit einer bestimmten Situation konfrontiert ist bzw. auf welche Weise er Situationen herbeiführt. Auch wenn die Idee zu einer Geschichte wohl das erste ist, was einem Schriftsteller einfällt, die Charaktere sind ihr Motor und sie stehen am Beginn jeden ernsthaften Schreibens.

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